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Beitrag vom 25.01.2006
Goldene Zeiten
Tatjana Zilg
Ein Hollywoodstar soll die Benefizgala des Golfsclubs im provinziellen Unna zum Medienereignis machen. Eine Komödie um Schein und Realität, Betrug und Lüge im Deutschland zu Hartz 4 - Zeiten
Eventmanager Ingo (Wotan Wilke Möhring) versucht in Zeiten der wirtschaftlichen Flaute, mit Tricks und Raffinesse den ersehnten beruflichen Erfolg zu erlangen. Es ist nicht nur seine eigene Erwartung, sich endlich die notwendigen Statussymbole wie ein schickes Auto und eine große Wohnung leisten zu können, sondern vor allem auch die seiner Freundin Bianca (Sabrina White). Das glaubt er zumindest. Tatsächlich hat sie eine Affäre mit seinem Chef (Uwe Fellensiek) und verweilt zur Zeit auf dessen Jacht in Südfrankreich, was Ingo noch nicht weiß, aber er hat natürlich längst gemerkt, dass die Beziehung stark kriselt. Um allen zu beweisen, was in ihm steckt, entwickelte er einen gewagten Plan: Er hat den alternden, bisher arbeitslosen Schauspieler Horst Müller (Dirk Benedict) angeheuert, um sich als Douglas Burnett, Star der amerikanischen Serie "John Striker", auszugeben. Vom Vorstand des Golfclubs möchte er anlässlich der bevorstehenden Benefizgala zugunsten eines rumänischen Waisenhauses eine hohe Provision für die Vermittlung der berühmten Attraktion einkassieren. Der Hollywoodstar soll Publikumsmagnet für das sorgfältig vorbereite Ereignis werden.
Das gelingt zunächst erstaunlich gut. Jürgen Matthies (Wolf Roth), der Leiter des Golfclubs, und sein Kassenwart, der biedere Dieter Kettwig (Ludger Pistor), empfangen den weitgereisten Gast am Flughafen. Gemeinsam mit dem nervösen Ingo präsentieren sie sich mit ihrem neuen Aushängeschild in einem kleinen italienischen Restaurant. Und tatsächlich: Die Kellner erkennen ihn, wollen Autogramme und fotografieren sich gegenseitig mit ihn. Erschöpft bringt Ingo seinen Komplizen danach in ein kleines Hotel. Doch Horst Müller hat sich schon zu sehr mit seiner Rolle identifiziert. Er sieht die Chance gekommen, einmal im Leben den Ruhm zu haben, den er sich immer gewünscht hat. Er setzt sich mit der Presse in Verbindung und wirft wie ein größenwahnsinniger Rockstar den Fernseher aus dem Fenster. Ingo bekommt die Situation vorerst schnell wieder in den Griff. Er handelt im Edelhotel der Kleinstadt einen Sondertarif aus und quartiert den angeblichen Douglas Burnett dort ein. Dieser ist aber nicht mehr zu bremsen. Überall versucht er, seine neue Ausstrahlung zu genießen und fordert alle, einem Hollywoodstar zustehenden Privilegien ein.
Und keiner bekommt den geringsten Zweifel an seiner Identität. Insbesondere Jürgen Matthies hat eigentlich ganz andere Sorgen. Seine Frau Francesca (Birgit Stein) überfordert ihn mit ihren Luxuswünschen, ständig möchte sie Geld von ihn. Dabei empfindet er nichts mehr für sie. Anstatt sich mit ihr sie auszusprechen, stößt er sie bei jeder Gelegenheit gefühlskalt zurück. Dennoch will er die Ehe aufrechterhalten, eine Veränderung kommt für ihn nicht in Frage. Mit seiner viel jüngeren Geliebten Jasmin möchte er am liebsten nur Sex. Doch auch sie beginnt, Anforderungen an ihn zu stellen.
Die Situation eskaliert, als ein ukrainisches Berufsleibwächter-Duo, das nicht nur legale Dienste anbietet, seine Aufträge durcheinander bringt. Denn die aufstrebenden Herren von Unna haben die beiden Muskelmänner als Leibwächter für Douglas Burnett angeheuert, die eifersüchtige Ehefrau hat sie schon zuvor für ihre Rachepläne an der Rivalin engagiert. In der Nacht vor dem großen Event flüchtet sich Jürgen Matthies in das Edelhotel, wo Douglas Burnett gerade Prostituierte für eine Sexorgie empfängt. Das Unglück nimmt seine Lauf, als die Berufskiller in dem ganzen Wirrwarr einer fatalen Verwechslung unterliegen. Plötzlich geht es nicht mehr nur um Betrug, sondern auch um Mord. Und nicht Ingo ist der Drahtzieher, denn nun entpuppt sich derjenige, der anfangs zunächst als Bösewicht erschien, als der anständigste Mensch in diesem Labyrinth der egozentrischen Machtspiele. Als Ingo langsam die Fäden seiner Starinszenierung aus der Hand gleiten, wendet er sich ohnehin immer mehr seiner Ex-Schulkameradin Melanie (Alexandra Neldel) zu, die gerade ihre Träume von einer Popstarkarriere begraben muss.
Regisseur Peter Thorwarth drehte einen sehr turbulenten Film mit einer komplexen Handlungsstruktur, die für viel Spannung sorgt und Momente voll bitterbösen schwarzen Humors bereithält. Das Spiel mit den Klischees gelingt jedoch nicht vollständig, teilweise werden sie nicht durch Übersteigerung dekonstruiert, sondern insbesondere die weiblichen Charaktere wirken zu klischeehaft angelegt, was bei heiklen Themen wie Prostitution und Schönheitswahn die ZuschauerInnen durchaus verärgern kann.
AVIVA-Tipp: Eine zynische, bissige Satire. Die Stärke des Filmes ist es, als Spiegel der gegenwärtigen Zeit der gesellschaftlichen Sinnkrise zu wirken. Das sich ins Chaotische steigernde Spiel mit der schamlosen Lüge, den maskierten Identitäten und der skrupellosen Durchsetzung der eigenen Interessen ist eine gelungene Parabel auf die Skandale und Affären des neuen Jahrtausend.
Zum Regisseur:
Peter Thorwarth gelang bereits mit seinem Kinodebüt "Bang Boom Bang - Ein todsicheres Ding" 1998 der große Durchbruch. Die Komödie erlangte in Deutschland schnell Kultcharakter. 2001 folgte der zweite Kinofilm "Was nicht passt, wird passend gemacht", für den er den deutschen Publikumspreis "Jupiter" erhielt.
Goldene Zeiten
Deutschland 2005, 135 Minuten
Regie: Peter Thorwarth
Drehbuch: Peter Thorwarth, Alexander M. Rümelin
DarstellerInnen: Wotan Wilke Möhring, Dirk Benedict, Wolf Roth, Ludger Pistor, Birgit Stein, Alexandra Neldel, Christian Kahrmann, Ralf Richter, Hans-Martin Stier, Sabrina White
Kinostart: 26.01.2006
Verleih: www.senator.de
www.goldenezeiten-derfilm.de